Bei meinem letzten großen Strickprojekt musste ich kurz nach dem Start eine lange, gesundheitsbedingte Pause machen. Als ich wieder starten durfte, habe ich die Anleitung natürlich nicht richtig gelesen und habe prompt einen Fehler gemacht: Zwischen den Musterbändern sollten zusätzlich jeweils 5 Reihen einfarbig eingestrickt werden. Das habe ich erst gesehen, als ich die Anleitung wieder genommen habe, um den zweiten Ärmel anzuschlagen.

Was tun? Alles aufribbeln? Für das letzte Musterband habe ich das gemacht, das waren nur 20 Reihen, die hatte ich schnell inkl. der 5 vergessenen Reihen wieder hochgestrickt. Aber den ganzen Ärmel trennen? Nein! Stattdessen habe ich beschlossen, den Ärmel zwischen den Musterbändern aufzutrennen, die Reihen anzustricken und die beiden Teile mit dem Maschenstich wieder zu verbinden. Hier erkläre ich, wie ich das gemacht habe.
Im ersten Schritt habe ich die Maschen im Ärmel aufgenommen. Zwischen den beiden Stricknadeln muss eine Reihe Maschen liegen, die dann im Anschluss aufgetrennt wird. Hierfür unbedingt eine oder zwei Nadelstärken weniger wählen als für das eigentliche Strickprojekt. Das macht das Aufnehmen sehr viel einfacher. Eine Rundstricknadel ist hier am Ärmel die Nadel der Wahl, ein Nadelspiel wird zu sperrig, um die zwei Reihen bequem aufnehmen zu können.

Dann kam der Moment, in dem ich erstmal tief durchatmen musste: Den Faden in der zwischen den Nadeln liegenden Maschenreihe durchschneiden. Wichtig: Den Faden nur an einer Stelle aufschneiden, denn die zwei Enden brauchen wir hinterher zum Vernähen. Hinterher habe ich die beiden Fadenenden mit einer dicken, stumpfen Nadel aus den Maschen gezogen.

Am Ende liegen zwei Strickstücke auf dem Tisch – das war ganz schön aufregend.
Als nächstes werden die fehlenden Reihen angestrickt. Ich habe dazu das Garn per spit splicing miteinander verbunden, so habe ich zwei Enden weniger zu vernähen.
Spit splicing? Dazu die einzelnen Fäden des Garnes aufdröseln und, bei zweifädigem Garn, einen davon abreissen (das ist wichtig, nicht schneiden!). Das Gleiche am anzusetzenden Ende des Garnes machen. Die beiden Enden sollten etwa gleich lang sein. Jetzt die Enden umeinander drehen und vorsichtig mit Spucke miteinander verfilzen. Der entstehende Faden ist wieder genauso dick wie das fertige Garn. Hat das Garn mehr als zwei Fäden, die einzelnen Stränge abgestuft abreissen. Das funktioniert nur mit Wolle, die sich filzen lässt. Bei anderen Garnen muss man in den sauren Vernäh-Apfel beissen.
Weiter geht es mit dem Maschenstich. Der wird mit einer stumpfen Nadel genäht, das Arbeitsgarn muss also entsprechend abgeschnitten werden. Es gibt nichts schlimmeres, als bei Maschenstich den Faden ansetzen zu müssen, also habe ich ein eeeeeendlos langes Stück hängen gelassen.

Maschenstich bei glatt Rechts gestricktem funktioniert nach folgendem Schema:
Der Faden hängt am unteren Strickstück. Die beiden Teile nebeneinander legen, die Nadeln weisen nach mit der Spitze nach rechts. Jetzt geht es los:
Zum Start in der ersten oberen Masche wie zum rechtsstricken einstechen und den Faden durchziehen. Dann in die erste untere Masche wie zum linksstricken einstechen und den Faden durchziehen. Beide Maschen bleiben auf der Nadel. Jetzt:
- In die erste Masche der Nadel wie zum linksstricken einstechen, Faden durchziehen, Masche von der Nadel gleiten lassen.
- In die nächste Masche wie zum rechtsstricken einstechen, Faden durchziehen. Die Masche bleibt auf der Nadel.
Jetzt geht es auf der unteren Nadel weiter:
- In die erste Masche wie zum rechtsstricken einstechen, Faden durchziehen, Masche von der Nadel gleiten lassen.
- In die nächste Masche wie zum linksstricken einstechen, Faden durchziehen. Die Masche bleibt auf der Nadel.
Diese vier Schritte immer wieder ausführen, bis alle Maschen aufgebraucht sind. Als kleine Hilfe singe ich dabei immer einen kleinen Vers: Links runter, Rechts oben. Rechts runter, Links oben.
Wichtig: den Faden auf keinen Fall sofort fest anziehen. Immer nach 15-20 Maschen hältst Du inne und ziehst den Faden langsam und passend zur gesamten Fadenspannung nachträglich an.

Hier sieht man prima, wie der Stich mit passender Fadenspannung und noch nicht korrigierter Fadenspannung aussieht.

Und fertig ist das Einfügen der Maschen. Links der verlängerte Ärmel, rechts der neu gestrickte Ärmel. Die kleinen Ungleichheiten in der Fadenspannung werden nach dem Spannen verschwinden. Für die gesamte Operation habe ich etwa zwei Stunden gebraucht. Genauso lange hat es gedauert, den letzten Mustersatz wieder hochzustricken.

Jetzt habe ich den Rumpfteil in Arbeit, das wird noch eine Weile dauern. Vorher habe ich die Anleitung wirklich genau gelesen, damit ich nicht wieder ein paar Reihen vergesse!